2019 Überprüfung des Brandschutzes und Begehung mit der Berufsfeuerwehr

Überprüfung des Brandschutzes

Seit 2011 haben Dom und Domschatz ein Kulturgutschutzkonzept. Der verheerende Großbrand von Notre Dame in Paris hat gezeigt: Kulturgutschutz ist niemals abgeschlossen und kann nur funktionieren, wenn sich alle beteiligten Stellen, Eigentümer, Feuerwehr, Rettungskräfte und Sachverständige regelmäßig austauschen und ihre Konzepte an neue Erkenntnisse anpassen.
Eine Reaktion auf Notre Dame waren erneute Gespräche mit den Experten der Feuerwehr Essen. Als erstes Ergebnis wird jede Wachabteilung der Hauptwache einmal im Jahr zu einer ganz besonderen Begehung in Dom und Domschatz kommen. Dabei werden die Einsatzorte im Ernstfall bis in die „hintersten Winkel“ inspiziert, Zugangsmöglichkeiten geklärt und Rettungs-, Sicherungs- und Brandbekämpfungsvarianten durchgespielt. Im Sinne einer effizienten Bergung bzw. eines möglichst optimalen Schutzes von Kulturgütern müssen im Vorfeld abgestimmte Planungen mit der Feuerwehr erfolgen. Der  Einsatzerfolg der Feuerwehr wird maßgeblich durch die Zeit und den Aufwand bestimmt, der im Einsatz für die Lageerkundung aufgewendet werden muss. Je größer und komplexer ein Gebäude ist, desto schwieriger wird diese Erkundung des Einsatzleiters der Feuerwehr. (Abb. 9)
Feuerwehrangehörige können den Wert (ideell oder materiell) von Kulturgütern oder auch Gebäudeteilen nicht sicher einschätzen oder gar abstufen (z. B. welches Kunstwerk ist wertvoller, welcher Bereich des Kirchengebäudes hat bei Löscharbeiten Vorrang). Im Brandfall muss zudem davon ausgegangen werden, dass Fachpersonal (z. B. Kuratoren) der jeweiligen Kulturgutstätten aufgrund des Brandes oder Raucheintrags nicht in die entsprechenden Räume vorgehen kannönnen um die Einsatzkräfte einzuweisen. Wichtige Fragen, die bei einer ersten Begehung erörtert wurden, waren: Wie ist der Zugang bei Tag / bei Nacht? Wer ist Ansprechpartner? Welche Risiken bestehen? Wo gibt es besondere Brandlasten? Welche besonderen Gefahren bestehen beim Zutritt besonderer Gebäudebereiche. Wie ist ein Löschwasserschaden zu minimieren? Ist ein Transport der jeweiligen Kunstobjekte möglich? Welches Gewicht hat das zu evakuierende Kunstgut? Wie ist das Objekt befestigt/gesichert? In welcher Reihenfolge hat die Bergung zu erfolgen? Wie und wo soll das Objekt nach einer Bergung verwahrt werden? (Abb. 10)
Die Rundgänge mit den Wachgruppen bieten die Möglichkeit diese Fragestellungen zu erörtern und Evakuierungskonzepte relativ genau auf diese Feuerwehr abzustimmen, so dass möglichst wenig Zeit verloren geht und das Risiko für das Kulturgut so gering wie möglich ist. (Abb. 11)
Kulturgutschutz der Kirchen und Kunstwerke auf der Dominsel ist noch lange nicht abgeschlossen und wird auch zukünftig ein wachsender und sich immer wieder verändernder Prozess sein.

Begehung mit der Berufsfeuerwehr

Am 16. Juli 2019 begannen mit der ersten Befahrung und Begehung der Wachabteilung 2 der Essener Hauptfeuerwache 1 die im Rahmen der Gespräche mit der Leitungsebene der Berufsfeuerwehr vereinbarten regelmäßigen Übungen am und im Dom. Die Anfahrt der zahlreichen Rettungsfahrzeuge erfolgte wie vorgesehen über den Burgplatz und den dem Dom an der Südseite vorgelagerten Domhof. (Abb. 12) Wenn der Dom einmal brennen würde, würden die Feuerwehrleute von hier aus Löschangriffe über das Dach führen. Dass die Drehleiter - Fahrzeuge ihren Weg zum Domensemble finden – selbst wenn dort im Winter das Riesenrad steht – ist ein Ziel des Trainings. Für den Einsatz rund um den Dom werden teils sehr „wendige“ Fahrzeuge  eingesetzt, die auch in der engen Gasse „An St. Quintin“ Aufstellung finden und ihre Einsatzpunkte erreichen können. (Abb. 13)
Die eher ungewöhnliche Herangehensweise soll mit allen drei zuständigen Wachabteilungen der Berufsfeuerwehr Essen stattfindenden. Die ersten Begehungen, die auch Informationen rund um Kunst- und Architektur auf der Dominsel enthielten, ,  fanden mit rund 25 Feuerwehrleuten der Berufsfeuerwehr und zugeordneten freiwilligen Feuerwehren statt – samt Lösch- und anderen Fahrzeugen, denn auch beim „Besuch“ im Dom bleibt die Abteilung einsatzbereit. Eine Visite, bei der natürlich alle die Bilder von Notre Dame im Kopf hatten.Alle Feuerwehrleute der Wache 1 sollen bei „Führungen“ die besonderen Seiten des Doms kennenlernen. Die Devise nach dem Großbrand in Notre Dame lautet: so schnell wie möglich handeln. Von der Blitzleuchte am Eingang zum Kreuzgang, die der Feuerwehr im Ernstfall den Weg zur Brandmeldezentrale neben der Domsakristei weist, geht der Erkundungsgang zu den links und rechts vom nördlichen Tor zum Atrium gelegenen zwei Steigleitungen (Abb. 14), die wie Regenrohre aussehen, aber die Anschlüsse für A-Leitungen der Löschwassereinspeisungen sind. Hier könnten die Einsatzkräfte im Fall des Falles Schläuche montieren und Löschwasser in die beiden Türme von Dom und Anbetungskirche pumpen. Dieses versorgt im Ernstfall die Sprinklerköpfe in den beiden historischen Türmen, deren Schmelzköpfe (Abb. 15) sich nur da öffnen, wo es brennt. Das sorgt dafür, dass nur so viel Löschwasser wie unbedingt nötig eingebracht wird und nicht größeren Schaden anrichtet, als es ein Brand tun würde.
Vorbei an den wertvollen Kunstschätzen im Dom verläuft der Weg durch die historische Bausubstanz des Domes. Gemeinsam mit der Feuerwehr wurde ein Kunstgutschutzkonzept erarbeitet, das dezidiert jedes Kunstwerk einbezieht. Wenn nur ein Teil der Kirche brennt, schützen Rußschutzdecken die Kunstwerke vor Ruß, Asche und denr darin enthaltenen Säuren. (Abb. 16) Auch Aufbewahrungsorte und Handhabung dieser Stoffbahnen aus besonders dichter, fein gewebter Baumwolle sind Teil des Rundgangs. Im Ernstfall kommt es darauf an, schnell handeln zu können – wie im Falle von Notre Dame, als die Feuerwehr noch nicht in der Lage war zu löschen, die Zwischenzeit aber genutzt werden konnte, Kunstgut zu schützen oder zu evakuieren, was im Verlaufe der Brandausbreitung und Löscharbeiten aus Sicherheitsgründen dort nicht mehr möglich war. Hier in Dom und Anbetungskirche gibt es Kunstwerke, die sehr gut gegen Diebstahl gesichert, aber trotzdem evakuierbar sind. In der Anbetungskirche zum Beispiel sind es die beiden 2,60 x 1,80 m großen Altartafeln des Malers Bartholomäus Bruyn d. Ä., die unter anderem Essens älteste Stadtansicht zeigen. Sie sind in einem Wendegestell auf Sichtbetonsockel drehbar gelagert und können aus ihrem Metallrahmen gelöst und dann weggetragen werden. (Abb. 17)
Zwischen den Eichenbalken aus dem frühen 17. Jahrhundert im Glockenturm des Doms ist die Situation besonders eng. Selbst die Weltkriegsbomben, die das Kirchenschiff einstürzen ließen, konnten diesen Hölzern nichts anhaben. Auch der „Aufstieg“ über die engen Treppentürme und Stiegen (Abb. 18) erleichtert den Zugang für die Feuerwehr nicht. Nicht bei der „Übung“ und auch nicht im Ernstfall. Hinter einer Stahltür geht der Blick auf das Gewölbe der Kirche und den stählernen Dachstuhl – und spätestens da werden die Notre-Dame-Assoziationen wieder wach. (Abb. 19) Hier handelt  es sich allerdings um einem Stahl-Dachstuhl aus zusammengenieteten Profilen, der nach den Kriegszerstörungen eingebaut wurde. Das macht den Dom heute  weniger angreifbar für einen Dachstuhlbrand. (Abb. 20) Wenn es allerdings ausgedehnt brennen sollte, ist durch die Verformungen des Stahls gleich das gesamte statische System des Doms in Gefahr, da das Dachtragwerk in den nördlichen und südlichen Langhauswänden fest verankert ist. (Abb. 21) Im Falle eines Brandes muss somit eine Verformung zu vermeiden oberstes Gebot sein. Das geht in diesem Falle nur durch Kühlung (Löschwasser) von außen und schnellen Löscherfolg. Eine heikle Gratwanderung, wenn man die daraus resultierenden Löschwasserschäden bedenkt. Hier wird von der Feuerwehr viel Sensibilität verlangt, die mit diesen Übungen und Begehungen wachgehalten werden soll.
Alle Beteiligten haben Respekt vor der gemeinsamen Verantwortung und vor allem vor der Arbeit der Feuerwehrleute, die dieses Gebäude und seine Kunst im Ernstfall unter schwersten Bedingungen schützen sollen.

 

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