Restaurierung der Kapelle der goldenen Madonna

Die Architektur der Kapelle der Goldenen Madonna im Essener Dom

Beim Wiederaufbau der Essener Münsterkirche nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges entschloss man sich Anfang der 1950er-Jahre, in der nördlichen, neu entstandenen Seitenkapelle unter der Sängerempore den Sakramentsaltar zu errichten. Bereits wenige Jahre später, kurz nach der Gründung des Bistums Essen und der Erhebung der Münsterkirche zur Domkirche, entschied der erste Bischof, Dr. Franz Hengsbach, die Goldene Madonna aus der Schatzkammer in den Dom zu übertragen. Sie sollte zum Wallfahrtsziel für das junge Bistum werden. Als Aufstellort war die bisherige Sakramentskapelle vorgesehen, die von der nördlichen Evangelienseite in die südliche Chornebenkapelle auf der Epistelseite wechselte.
Der Raum war bereits vor seiner Neuformulierung und Ausgestaltung bestimmt durch eine ottonisch-romanische Formensprache. Ursprünglich war er das untere Geschoss des in der ottonischen Zeit doppelgeschossigen Nebenchores, der in der gotischen Zeit zum Gräfinnenchor erweitert wurde und zurückgeht auf den karolingischen Gründungsbau. Die reich gegliederte Nordwand der Kapelle ist mit einem Zwillingsbogen, links als rundbogige Türöffnung sowie rechts als Blendbogen mit eingestellter, ebenfalls rundbogiger Fensteröffnung, konzipiert. Vollendet wird diese Arkatur durch einen raumbreiten und gewölbehohen profilierten Blendbogen mit eingestellter Säule. Sie entstammt der Wiederherstellung des 19. Jahrhunderts und verbindet heute wie damals den Raum mit dem Vorraum der Sakristei (Abb. 50). Die Ostwand ist heute glatt geputzt ausgebildet, war zur ottonischen Zeit jedoch analog dem heutigen südlichen Nebenchor mit halbrunder Altarnische und vorgestellten Säulen gestaltet. Die ebenfalls glatte Südwand grenzt die Kapelle gegen den Zwischenchor mit dem Kapitelgestühl und die darunterliegende Innenkrypta ab.


Zur Aufstellung der Goldenen Madonna wurden 1959 bis 1961 namhafte Künstler*innen mit der Ausgestaltung der Kapelle und einer neuen, sicheren Vitrine beauftragt. Der evangelische Ostberliner Kunstschmied und Stahlgestalter Fritz Kühn widmete einen Großteil seines Schaffens den künstlerischen Arbeiten an Kirchen beider Konfessionen. Als Fotograf entwickelte er ein bewussteres Sehen, das den Strukturen seiner Bildobjekte (z. B. Spinnennetze) auf den Grund ging und sich auf seine Gestaltung mit dem Material Eisen auswirkte. 1961 erhielt er den Auftrag, ein Gitterwerk zur Sicherung und Raumbildung der Kapelle zu entwickeln. Ausgehend von Studien und Modellen entwarf er ein dreidimensionales Gitter aus schlanken, kantig geschmiedeten, vertikalen Stäben und einer dahinterliegenden, grafisch-rhythmischen Raumstruktur aus netzartig verwobenen Stäben aus blankem Edelstahl – in einer Spannung zwischen Kunst und Technik und ohne den Blick auf die Goldene Madonna mehr als aus Sicherheitsgründen notwendig zu verstellen. So entstand innerhalb des 3,05 m hohen und 2,75 m breiten Bogens, der von der Kapelle zum nördlichen Querhaus der gotischen Halle überleitet, ein Raumabschluss, der nicht lediglich Funktion, sondern Bestandteil der Architektur geworden ist (Abb. 51).


Die Gold- und Silberschmiedin Elisabeth Treskow (1898¬ 1992) lebte und arbeitete von 1923–43 auf der Essener Margarethenhöhe, bevor sie als Leiterin der Gold- und Silberschmiedeklasse an die Kölner Werkschule berufen wurde. 1948 und 1961 arbeitete sie an der Restaurierung des Kölner Dreikönigenschreins, entwarf und fertigte 1949 als eines ihrer populärsten Werke die Meisterschale des Deutschen Fußballbundes. Zu ihren wichtigen Werken gehört sicherlich auch die erste Vitrine für die Aufstellung der Goldenen Madonna im Essener Dom, mit deren Entwurf sie 1958/59 beauftragt wurde. Der tempelartig gestaltete Baldachin der Vitrinenhaube umschloss einen Körper aus Panzerglas, aus dem die Goldene Madonna nachts elektromechanisch in einen Tresor, der sich im Innern eines Sockels aus gelbem Sandstein befand, herabgefahren werden konnte. Das im Grundriss kreuzförmige Faltwerk des Daches wurde bekrönt mit einem großen, pinienzapfenförmigen, gefassten Bergkristall und von vier Säulen getragen, die auf einer quadratischen Sockelplatte standen, am Rand verziert mit viermal acht quadratisch gearbeiteten Bergkristallen. Ein kantiger Metallring, der zwölf Kerzen in silbernen Haltern trug, umrahmte Sockel und Vitrinenhaube. Zunehmende konservatorische Probleme führten 2005 zur Schaffung einer neuen, der heutigen Vitrine, die von Ingrid Bussenius, einer Kölner Gestalterin für Präsentations- und Inszenierungskonzepte, entwickelt wurde.


Der Everswinkeler Künstler Albert Reinker (1927–2014), der seine Ausbildung an der Werkkunstschule Münster, der Kunstakademie Düsseldorf und der Akademie der Bildenden Künste in München erhielt, begann seine Aufträge stets mit einer Besichtigung der Räume vor Ort und ersten Skizzen. So gestaltete er 1968 für die Kapelle als oberen Raumabschluss ein Mosaik auf der Schale des Kreuzgratgewölbes. Er verwendete dafür italienische Smalte (ein mit Cobaltsalzen gefärbtes Kaliumsilikatglas) und fügte sie zu einer Darstellung eines „gemalten“ Firmamentes in verschiedenen Blautönen und einzeln eingestreuten goldenen (und wenigen roten) Steinen, welches von der Glasmalerei Oidtmann aus Linnich umgesetzt wurde (Abb. 52). Es gelang ihm dadurch, die romanisch gegliederte und geprägte Architektur gleichermaßen zu einem Raum der Geborgenheit und der Unendlichkeit werden zu lassen.
Neben dem Leitwort auf dem Sockel der Vitrine „Alles, was Er euch sagt, das tut“ weist ein Schriftzug über dem Bogen zum nördlichen Seitenschiff auf den durch Bischof Dr. Franz Hengsbach festgeschriebenen Titel der Bistumspatronin hin: „HEILIGE MARIA, MUTTER VOM GUTEN RAT, BITTE FÜR UNS“.

Reinigung und Überarbeitung des Anstrichs der Kapelle

Im Juli 2021 wurden die Kapelle und der Bereich vor der Kapelle in Vorbereitung einer neuen, konservatorisch notwendigen und energiesparenden Beleuchtung von Gewölberaum und Goldener Madonna in ihrer Vitrine vollständig gereinigt und die Architekturmalerei schonend retuschiert.
Die Reinigung der völlig durch Ruß verschwärzten und nicht mehr erkennbaren Gewölbemosaiken kam einer Restaurierung gleich. Dabei wurden die intensiven Oberflächenbeläge von zwei Restauratorinnen der Firma Berchem Restaurierungen vorsichtig in mehreren Arbeitsgängen durch Absaugen weitgehend abgenommen. Durch eine darauffolgende Trockenreinigung mit speziellen Akapad-Schwämmen auf Basis von schonend vulkanisiertem Latex mit vernetztem natürlichen Rapsöl bzw. Rizinusöl wurden die Wandoberflächen sowie das Gewölbe trocken gereinigt. Abschließend wurden die Mosaikflächen einer Feuchtreinigung mit Isopropyl-Alkohol und einer schwachen Tensidlösung unterzogen und mithilfe von sogenannten Rußfresser-Schwämmen aus Kautschuk intensiv behandelt (Abb. 53). Die monochromen Wandflächen wurden mit einem neuen mineralischen Anstrichaufbau versehen, die Architekturgliederungen wurden sorgsam retuschiert (Abb. 54).

Lichtraum-Planung für die Goldene Madonna

Mit der Überarbeitung der Kapelle der Goldenen Madonna im Jahr 2021 wurde einerseits die ursprüngliche Gestalt der Entstehungszeit wiederhergestellt, andererseits die Grundlage für eine neue Beleuchtung geschaffen. Für deren Auslegung und Lichtberechnung müssen die Reflexionsgrade der Raumoberflächen klar definiert sein, um die herausfordernde Aufgabe, die Goldene Madonna mit ihrer glänzenden Goldhülle als Andachtsbild angemessen „in Szene zu setzen“, zu lösen.
Torsten Müller mit seinem Team von Lichtraum in Weimar hat eine Lichtkonzeption sowohl für die Vitrine der Goldenen Madonna als auch für den Kapellenraum selbst entwickelt. Er hat dabei die Vorgaben von Verfasser und Domkustos, die Vitrine im äußeren Erscheinungsbild möglichst nicht zu verändern, vollständig erfüllt. Lediglich Teile der Vitrinenhaube, die die gesamte Installation von Strahlern, Vorschaltgeräten und lichtlenkenden Systemen aufnehmen muss, wird für die Installation der neuen, hochwertigen LED-Beleuchtung unter Beibehaltung der äußeren Abmessungen neu angefertigt werden.
Die neue Lichtinszenierung ist in modernster LED-Technik mit in die Vitrine integrierten Mikrostrahlern und einer Licht-Raum-Akzentuierung außerhalb der Vitrine umgesetzt. Damit soll in Zukunft das Problem der Wärmeentwicklung in der Vitrine vermieden werden (Abb. 55).
Qualitätsvolles LED-Licht kommt, technisch bedingt, immer noch nicht an warmes, abgedimmtes Glühlampenlicht heran, hat sich aber bis heute in Bezug auf die Farbwiedergabe der beleuchteten Objekte sehr gut weiterentwickelt. An dem Manko des stetigen, aber unausgeglichenen Spektrums des LED-Lichts wird sich technisch grundsätzlich nichts ändern lassen. Andere Vorteile wie geringere Wärmeabstrahlung, reduzierter Stromverbrauch und höhere Lebensdauer sowie ständige technische Verbesserungen werden in Zukunft zur Ablösung aller anderen Lampen führen. Auch unsere Sehgewohnheiten werden sich dem anpassen.
Die größte Herausforderung der Planungsaufgabe bestand darin, die Strahler so in die Vitrinenhaube zu integrieren, dass sie die Goldene Madonna als bedeutendstes Kunstwerk im Ruhrgebiet gut ausleuchten und die Beleuchtungskörper und Leuchtmittel dabei selbst kaum wahrzunehmen sind. Dabei galt es auch, unkontrolliertes Streulicht über die metallene Haube in den Raum, vor allem nach oben zum Mosaikgewölbe, zu vermeiden.
Das um 980 entstandene älteste rundplastische Marienbild der Welt ist 74 cm hoch, aus Pappelholz geschnitzt und mit feinem Goldblech überzogen. Dieses Goldblech ist ursprünglich um den Kern aus Pappelholz getrieben. Durch diese Art des Aufbringens und im Laufe der Zeit entstandene, sehr kleinteilige Verformungen (Dellen) hat sie eine sehr differenziert reflektierende Oberfläche. Das erfordert sehr viel Geschick in der Beleuchtungsplanung und eine möglichst große Anzahl an kleinen Leuchten, die die Skulptur aus möglichst vielen Richtungen anstrahlen und ihre dreidimensionale Wirkung unterstützen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine gute Balance zwischen Anstrahlung der Figur selbst und der unterstützenden Wirkung des Raumlichtes – ohne dabei wichtige raumprägende Elemente der Umgebungsarchitektur wie das aus italienischen Smalten in Blau-, Türkis-, Rot- und Goldtönen gestaltete Mosaikgewölbe zu vernachlässigen. Gleichzeitig war es Ziel, die „Anziehungskraft“ der Goldenen Madonna bereits beim Eintreten in den Dom von Westen über das nördliche Seitenschiff bis zu ihrer Kapelle lichttechnisch unterstützt kontinuierlich zu steigern und so den Besucher in ihren Bann zu ziehen.

 

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